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Barrieren im Netz

Was bedeutet eigentlich barrierefreies Internet?

Jetzt ist es also passiert! Ab 1. Jänner 2016 müssen in Österreich per Gesetz alle Güter und Dienstleistungen barrierefrei erreichbar sein. Wie kann man sich Barrierefreiheit für Webseiten vorstellen, und was bedeutet das nun für den einzelnen Betreiber einer solchen?

Jetzt haben wir uns langsam an die Frage verschiedener Websites gewöhnt, ob wir noch einen Keks (Cookie) akzeptieren wollen - zur Weihnachtszeit tendiere ich generell dazu, bei Keksfragen "ja" zu sagen - schon steht uns die nächste gesetzlich verordnete Richtlinie ins Haus:
Internetseiten in Österreich dürfen ab 2016 keine Barrieren mehr aufweisen. Dieses Gesetz ist die Umsetzung der verfassungsrechtlichen Vorgabe (Artikel 7 der Bundesverfassung) und ist im Behindertengleichstellungsgesetz § 6 Abs. 5 verankert.
Doch was bedeutet das? Muß ich heuer mein Kabelmodem zu Hause umrüsten? Wird es in Zukunft nur mehr schwarz-weiße Webseiten mit riesiger Schrift geben? Im Folgenden möchte ich etwas Licht in die Angelegenheit bringen.

Im Zweifelsfall entscheide ich mich immer für die richtigen Cookies!
Im Zweifelsfall entscheide ich mich immer für die richtigen Cookies!

Für alle Menschen zugänglich

Barrierefrei heißt einfach übersetzt: für alle Menschen zugänglich - also auch für jene, die in irgendeiner Form bei der Nutzung des Internets eingeschränkt sind. Das betrifft nicht nur Menschen mit eingeschränktem Sehvermögen oder Blinde. Jegliche Art von körperlicher Behinderung darf kein Hindernis zur Nutzung des Internets darstellen.
Um das Thema besser zu verstehen, solltest du versuchen, dich in einen Menschen mit besonderen Bedürfnissen hinein zu versetzen - zum Beispiel in einen blinden Menschen. Diese Personen haben einen ganz anderen Zugang zu Webseiten, da sie die visuellen Zusammenhänge, die von Sehenden selbstverständlich wahrgenommen werden, nicht erfassen können.
Oder ein anderes einfaches Experiment: Hast du mal versucht, eine Webseite ohne die Hilfe einer Maus zu bedienen - also nur mit der Tastatur? Bei vielen Webseiten scheitert man dabei gänzlich. Es gibt aber Menschen, die eine Maus nicht nutzen können und somit allein auf die Tastatur angewiesen sind.

Findige Entwickler haben natürlich Hilfsmittel entwickelt, um zum Beispiel blinden Menschen bei der Nutzung des Internets zu helfen. Es gibt Programme, sogenannte Screenreader, die den Inhalt einer Internetseite vorlesen können. Problematisch wird es aber, wenn wichtige Teile des Inhaltes nicht vorlesbar sind, weil es sich zum Beispiel um Bilder oder Videos handelt. Verwirrend ist es auch, wenn Links keinen wirklichen Sinn ergeben, sondern nur durch ihre Position auf der Webseite verständlich werden - vor allem wenn die Beschreibung auch nicht weiter hilft. Der Klassiker für so einen Fall sind die „Mehr“ Links - die sich zuhauf auf einer Webseite befinden können und bei denen es rein vom Code her nicht klar ist zu welchem „Mehr“ der Link eigentlich führt. Der Screenreader wird dir brav zig Mal das Wort „Mehr“ vorlesen. Spätestens bei der dritten Seite wirst auch du an deinen letzten Urlaub denken.

Mehr, mehr, mehr, mehr Meer ... ich war zwar noch nicht dort, aber meine Kollegin kommt jedesmal ins Schwärmen.
Mehr, mehr, mehr, mehr Meer ... ich war zwar noch nicht dort, aber meine Kollegin kommt jedesmal ins Schwärmen.

WCAG Richtlinien

Diese Problematik ist natürlich nicht neu. Es gibt sie schon seit es Webseiten gibt. Es gibt aber auch Menschen, die sich über die Lösungen dieser Probleme Gedanken machen. Die WAI - also die Web Accessibility Initiative - existiert bereits seit 1997 und ist eine solche Gruppe. Ziel der Gruppe ist es, den Entwicklern von Webseiten zu zeigen, wie die Webseiten möglichst so gestaltet werden, dass die Inhalte durch automatisierte Techniken ausgelesen werden können. Wenn der Code der Webseite gut strukturiert ist, verschiedene Bereiche wie zum Beispiel die Navigation oder ein inhaltlicher Eintrag schon im Code als solche gekennzeichnet sind, dann hat man schon einige Barrieren aus dem Weg geräumt.

Durch die Erstellung von Prinzipien und Richtlinien (WCAG - Web Content Accessibility Guidelines - aktuell in der Version 2.0) hat die WAI das Thema Barrierefreiheit ziemlich genau umrissen. Diese WCAG 2.0 Richtlinien sind es auch, die per Gesetz von den Entwicklern der Webseiten einzuhalten sind.

Konformitätsstufen

Wir bei ilab haben schon sehr lange das Thema Barrierefreiheit im Kopf, wenn es um die Entwicklung neuer Webseiten geht. Daher kann ich sagen, es wird auch weiterhin bunte Seiten mit schönen Videos geben. Schlüssel dazu ist die Konformität einer Webseite mit den WCAG Richtlinien. Intelligenterweise gibt es dabei nämlich drei Stufen dieser Konformität: Stufe A, Stufe AA und Stufe AAA. Konkret bedeutet das, dass die harte Faust des Gesetzes verschieden stark zuschlägt - was durchaus Sinn macht, denn der Aufwand für die Umsetzung der Richtlinien ist nicht unerheblich. Stufe A stellt dabei die minimale Konformitätsstufe dar und dabei müssen nur die wirklich grundlegenden Richtlinien der WCAG 2.0 eingehalten werden. Meiner Erfahrung nach ist die Konformität der Stufe A mit vertretbarem Aufwand erreichbar, wenn man schon bei der Planung und Konzeption der Seite die entsprechenden Richtlinien beachtet und bei der Codierung sorgfältig vorgeht.

Die Stufe AA verlangt allerdings weitere Maßnahmen, wobei bereits bestimmte Kontrastverhältnisse einzuhalten sind oder Videos nur mehr mit einer akustischen Bildbeschreibung (Audiodeskription) verwendet werden dürfen. Dies würde bereits Auswirkungen auf das mögliche Design einer Webseite haben. Stufe AAA geht noch weiter und auch der Inhalt müsste dabei Konformitätskriterien genügen. Es dürfte zum Beispiel nur „einfache Sprache“ verwendet werden und falls multimedialer Inhalt verwendet wird, so muss dieser mit einer erweiterten Audiobeschreibung ausgestattet sein. Du kannst dir vorstellen, das der Aufwand dafür ungleich größer ist. Wer trotzdem eine Webseite mit allem Pipapo haben will sollte alternativ eine Textvariante der Seite anbieten, die die Richtlinien erfüllt.

Auch der Aufwand, eine bereits fertig gestellte Webseite nachträglich Barrierefrei zu gestalten, kann sehr groß werden.

Wenn auch du wissen willst, ob eine Webseite die WCAG Richtlinien beachtet hat, so gibt es dafür ein paar Tools mit denen auf WCAG Konformität getestet werden kann: Toolsammlung des W3C, einige davon erlauben auch Online-Checks wie zum Beispiel der Web Accessibility Checker oder CynthiaSays von Cryptzone.

Barrieren überwinden

Jetzt gibt es natürlich auch viele Skeptiker, die behaupten, dass das alles nur die Erstellung einer Internetseite verteuern wird und dass dieses Gesetz ein gefundenes Fressen für diverse Abmahnungskanzleien ist. Ja, mag sein.
Trotzdem, denke ich, ist es ein Schritt in die richtige Richtung, hin zu mehr Toleranz gegenüber benachteiligten Personen. Persönlich bleibt mir zu hoffen, dass mit den Barrieren im Netz auch einige Barrieren in den Köpfen der BenutzerInnen purzeln mögen - wobei sich das ja leider nicht per Gesetz verordnen lässt.